Anmerkungen zum

Wasserverkehr während der römischen Kaiserzeit im Odergebiet und auf der Ostsee

von Dr Timm Weski

Navigation during the time of the Roman empire in the Oder River area and the Baltic Sea. Translate with Systran or Altavista.
  

Die Quellensituation im Arbeitsgebiet kann nur als dürftig bezeichnet werden, da lediglich wenige aussagekräftige archäologische Funde bekannt sind und schriftliche oder bildliche Quellen ausscheiden. Besonders bei Plankenbooten kann bereits ein Neufund das bisherige Bild stark korrigieren. Weiterhin gliedern sich Wrackfunde in drei Kategorien, die unterschiedlichen Voraussetzungen gerecht werden müssen: Krieger-, Handels- und Kleinfahrzeuge. Die ersteren wurden meist in Hinblick auf Geschwindigkeit mit einer großen Mannschaft von Kriegern gebaut, die das Boot auch handhabten. Deshalb stellt für diese Kategorie Paddeln oder Rudern ein geeignetes Antriebsmittel dar. Handelsschiffe sollen in erster Linie Fracht tragen, daher ist Geschwindigkeit im Vergleich zur Tragfähigkeit eher zweitrangig und die kleine Mannschaft kann in der Regel das Fahrzeug nicht über längere Strecken rudern oder paddeln. Aus diesem Grund ist das Segel für diese Kategorie das günstigste Fortbewegungsmittel. In der Gruppe der Kleinfahrzeuge findet man alle Arten von Vortriebsmittel, genauso wie eine breite Vielfalt von Rumpfformen, da diese Boote unterschiedlichste Aufgaben erfüllen müssen. Erst wenn eine genügend große Anzahl gut erhaltener und datierter Rümpfe vorhanden ist, können Kleinfahrzeuge nach ihren verschiedenen Verwendungszwecken differenziert werden, wie dies für einige frühmittelaterlichen Exemplare möglich ist (Hirte 1987, 703; Hirte 1997, 158). Ab wann man mit der Trennung zwischen den drei Kategorien rechnen kann, muß derzeit offenbleiben. Für das freie Germanien sind bisher nur Kleinfahrzeuge und Kriegerboote, aber keine Handelsschiffe nachgewiesen.

Abb. 1. Undatierte Stammboote aus Schlesien. 1. Wroblin (Frauendorf) 2. Wroclaw-Osobowice (Oswitz) 3. Bobrownike (Bobering) 4. Kozle (Kosel) 5. Prezyce (Brandschütz) 6. Dabrowka (Dombrowka). Verschiedene Maßstäbe (nach Paret 1930, Abb. 19).

Da Wasserfahrzeuge aus organischen Materialien bestehen, sind nur wenige erhalten geblieben und dies meist auch nur aus bestimmten Situationen heraus. Als erste Fundgattung sind Moorfunde zu nennen, in denen die Rümpfe oft zerschlagen deponiert wurden. Wie die zahlreichen Waffenfunde in den Opfermooren nahelegen, handelt es sich dabei am ehesten um Kriegerfahrzeuge. Im kultischen Zusammenhang werden häufig altmodische Gegenstände verwendet. Daher muß beispielsweise das Hjortspringboot nicht unbedingt typisch für das vierte Jahrhundert v.u.Z. sein, sondern kann eine ältere Form widerspiegeln (Rosenberg 1937; Jensen 1989, 351). Die zweite Fundgruppe bilden Gräber (Müller-Wille 1968/69; Crumlin-Pedersen 1995, 92). Auch hier ist neben Kleinfahrzeugen in erster Linie mit Kriegerbooten zu rechnen. Meist hat sich das Holz nicht erhalten, sondern nur die Nieten der Klinkerkonstruktion (z.B. Müller-Wille 1974, Abb. 4; 5). Ein völlig aus organischen Materialien gebautes Boot kann daher bei unsachgemäßen Grabungen übersehen oder als Baumsarg interpretiert werden. Besonders bei älteren Untersuchungen muß man damit rechnen, daß viele Bootsbestattungen unerkannt blieben. Die letzte Gruppe bilden gesunkene oder versenkte Wasserfahrzeuge, die zu allen drei Schiffskategorien gehören können, da keine bewußte Auswahl vorliegt. Aus der römischen Kaiserzeit sind für dieses Fundgattung bisher allerdings nur Stammboote aus der Kategorie der Kleinfahrzeuge bekannt.

Die Oder mit ihren Nebenflüssen umfaßt ein großes geographisches Gebiet und stellt somit ein umfassendes Verkehrsnetz dar. Die Strömungsgeschwindigkeiten auf ihrem Unterlauf und auch auf den kleineren anderen Wasserläufen sind so gering, daß sowohl eine Fahrt stromab wie auch stromauf möglich ist. Allerdings dürfte die Bergfahrt etwa dreimal so lange gedauert haben wie die Talfahrt, wenn man Angaben von Ibn Foszlan aus der Wikingerzeit für Südrußland zu Grunde legt (Fraehm 1976, 565). Diese natürlichen Verbindungen sind allerdings nur zeitlich begrenzt benutzbar. Im Winter bringt Eis jeglichen Wasserverkehr zum erliegen, andererseits stellt dann die Eisdecke einen gut nutzbaren Transportweg dar. Im Frühjahr behindert die Schneeschmelze mit den damit verbundenen Hochwassern eine Fahrt erheblich oder macht sie sogar völlig unmöglich. Vom Spätsommer bis in den Frühwinter hinein können kleinere Flüsse zu wenig Wasser für die Schiffahrt führen. Durch Flußbegradigungen und andere wasserbauliche Maßnahmen sowie durch Klimaveränderungen ist es heute kaum möglich, verbindliche Aussagen zur Schiffbarkeit von Gewässern in der römischen Kaiserzeit zu machen. Untersuchungen von Martin Eckoldt anhand von römischen, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Quellen aber haben gezeigt, daß Flüsse, die heute nur mit Kajaks befahrbar sind, früher dem Warentransport dienten (Eckholdt 1980; 1983; 1985; 1986; 1987). Die Gründe sich auf dem Wasser fortzubewegen sind vielfältig. Als erstes ist an Fähren zu denken, bei denen die Wasserverbindung nur einen Hilfsdienst für den Landverkehr bildet. Weiterhin sind zu nennen: Fischfang und Jagd, Transport von Gütern und Menschen innerhalb eines Kleinraumes und schließlich der Fernverkehr, wobei Handel und Kriegszüge sicherlich die Hauptanlässe boten. Daneben muß man aber auch mit Reisen zu zentralen Heiligtümern oder Thingversammlungen rechnen.

Abb. 2. Undatierte Stammboote aus Schlesien. 1. Chobienia (Köben) 2. Kopice (Koppitz) 3. Noma Sol (Neusalz) 4. Roszowiski Las (Roschowitzwald, Einbaum 20) 5. Dolany (Zehrbeutel) 6. Bobrowniki (Bobering) 7. Wroclaw (Breslau). Verschiedene Maßstäbe (nach Paret 1930, Abb. 20).

Die einfachste Form des Wasserfahrzeugs, das Floß, ist archäologisch kaum nachweisbar, kann jedoch als Fähre jederzeit postuliert werden (Ellmers 1972, 112). Ob im freien Germanien bereits die Holzflößerei (Keweloh 1988; 1990) im größeren Umfang über längere Strecken eine Rolle spielte, muß angesichts mangelnder Wirtschaftszentren, abgesehen vielleicht von der Eisenverhüttung, als zweifelhaft erscheinen. Die Rekonstruktion des Befundes von Weitendorf zu einer Art Floß sollte in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben (Keiling 1974, 206 Abb. 5), jedoch ist der Auftrieb dieses Gefährts völlig unzureichend, so daß nach anderen Interpretationsmöglichkeiten gesucht werden muß. Zwei weitere Bootstypen, Fell- bzw. Leder- und Rindenboote, sind archäologisch nicht belegt, aber besonders die Existenz der letzteren könnte im Bereich des Möglichen liegen, da Rindenboote aus allen Ländern abgesehen von Europa und Afrika bekannt sind (z.B. Thiele 1985, Abb. 2 - 6; Hartmann 1985a, Abb. 21 - 23; Hartmann 1985b, 240; Helfrich 1985, Abb. 4; 10). Lederboote sind mit ziemlicher Sicherheit bereits für die vorrömische Eisenzeit der britischen Inseln anzunehmen (McGrail 1996,24).

Aus dem Arbeitsgebiet sind zahlreiche Einbäume, oder besser gesagt Stammboote (Hirte 1987, 61), bekannt. Die Funde aus der ehemaligen DDR und Polen sammelte Christian Hirte in seiner Dissertation aus der Literatur (Hirte 1987, 157; 173; 184). Die Exemplare aus Polen werden derzeit von Waldemar Ossowski neu bearbeitet (pers. Mittl.). Die wissenschaftliche Ansprache von Stammbooten wird dadurch erschwert, daß diese häufig nicht systematisch geborgen wurden und oft auch nur fragmentarisch erhalten sind. Außerdem lassen sie sich auf typologischem Weg kaum zeitlich einordnen, wie die zwei Funde aus dem Teltow zeigen. Das Boot aus dem Krummen See bei Sperenberg (Hohmann 1954, 76 Abb. 1) datiert, sofern die Beifunde tatsächlich zeitgleich mit den Rümpfen sind, in das 11. Jahrhundert u.Z., während das aus dem Zülowgraben bei Dahlewitz (Hohmann 1954, 77 Abb. 2) der Stufe von Billendorf am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit angehört. Abgesehen von der unterschiedlichen Breite, ist eine Differenzierung bei der fragmentarischen Erhaltung kaum möglich, da beide einen ähnlichen Rumpfquerschnitt aufweisen. Stammboote sind nicht nur aus der Vorgeschichte und aus dem Mittelalter belegt, sondern waren teilweise noch am Beginn des 20. Jahrhunderts in Benutzung (Rudolph 1966, 16 Taf. 1). Wegen dieser mangelhaften Datierungsmöglichkeiten können leider keine Beispiele typischer kaiserzeitlicher Stammboote aufgelistet werden, obwohl eine große Anzahl von einschlägigen, aber undatierten Funden (Abb. 1 - 3) bereits seit etlichen Jahrzehnten bekannt ist (z.B. Hellmich 1912; 1916).

Abb. 3. Undatierte Stammboote aus Norddeutschland und Polen heutige Ortsnamen waren z.T. nicht zu ermitteln). 1. Primenter See 2. Siehichum, Kreis Guben 3. Otternbrück 4. Kosewo (Kossewen) 5. Weser bei Winkel, Hannover 6. Oder bei Pollenzig, Kr. Krossen 7. Tütschensee bei Muchocin 8. Werre bei Gohfeld, Westfalen. Verschiedene Maßstäbe (nach Paret 1930, Abb. 21).

Zu den wenigen naturwissenschaftlich untersuchten Wasserfahrzeugen gehören die zwei Funde aus Lewin Brzeski (Abb. 4; 5) aus der Nähe von Oppeln in Schlesien, von denen einer auf 1620±50 BP datiert ist (Krawczyk et. al. 1996, Abb. 3; 7; W.Ossowski, Gdansk, pers. Mittl.). Mit ihren geraden Seiten und Bohrungen an Bug und Heck erinnert sie an Stammboote, die anhand des Bootes aus Kosel/Kozle, woj. Opole (Abb. 1, 4) als Fähre vom Odertyp bezeichnet werden (Ellmers 1973, 52), allerdings ist dieses Charakterisierung nicht frei von Widersprüchen (Hirte 1987, 421). Diese Boote wurden sicherlich nicht als eine Art Katamaranfähre eingesetzt, sondern dienten, zu mehreren nebeneinander verbunden, als eine Art Floß, wie es bis heute auf dem Dunajec an der Grenze zwischen der Slowakei und Polen eingesetzt wird (Litwin 1988, 186; 1995, 61).

Vom Bestattungsplatz Slusegård im Süden von Bornholm sind zahlreiche Bootsgräber der späten römischen Kaiserzeit bekannt, in denen der Tote nicht im Rumpf ruhte, sondern dieser über ihn gelegt war. Zwar hatte sich das Holz nicht erhalten, doch konnte Ole Crumlin-Pedersen anhand der Verfärbungen zwei Grundtypen herausarbeiten: einen kleineren, etwa drei Meter langen, etwas plumperen (Abb.6) und einen fünf Meter langen, etwas schlankeren (Abb.7). In beiden Fällen ergaben sich Rumpfquerschnitte, die aus einem Stamm nicht herausgeschnitten werden können. Stattdessen hatte man den fertig ausgehöhlten Stamm zusätzlich künstlich geweitet. Dieser Vorgang ist durch volkskundliche und ethnologische Beispiele gut belegt, jedoch nur für Boote aus Weichholz (Manninen 1927, 6; 8; McGrail 1978, Abb. 139 - 150; Hirte 1987, 496). Die Fahrzeuge in Slusegård sind aber, genauso wie einige andere kaiserzeitlichen geweiteten Rümpfe aus Eichenholz gefertigt. Anhand der rekonstruierten Rumpflinien ist es möglich, genaue Aussagen zur Tragfähigkeit und Stabilität beider Bootstypen zu machen, die deutlich die Grenzen solcher kleiner Stammboote aufzeigen (Abb. 8; 9). Beispielsweise wandert der Schwerpunkt im mit vier Menschen besetzten Fünf-Meter-Boot so weit nach oben, daß kaum noch Stabilität besteht (Abb. 9,3). Auch erlaubt die notwendige gleichmäßig Gewichtsverteilung nur selten eine optimale Auslastung des theoretischen Ladevolumens. Bei einer maximalen Zuladung von 250 kg und zwei Mann Besatzung (Abb. 9, 2) beträgt der Tiefgang des größeren Fahrzeugs ca. 0.5 m und gibt damit einen Hinweis, bis welch geringer Wassertiefen Bootsverkehr noch möglich ist.

Abb. 4. Lewin Brzeski, Fundplatz 10. Spätkaiserzeitliches Stammboot. (nach Krawczyk et al. 1996, Abb. 3).

Über die Antriebsmittel von Stammbooten ist wenig bekannt, jedoch kann man das Paddeln oder stützloses Rudern (Rudolph 1966, Abb. 48) voraussetzen, da einschlägige Funde bereits seit dem Mesolithikum bekannt sind. Auf flachen Seen und kleinen Flüssen dürfte auch das Staken eine Rolle gespielt haben, wobei möglicherweise sowohl zum Paddeln als auch zum Staken geeignet Geräte, sogenannte Stakruder (Rudolph 1966, Abb. 41), Verwendung fanden. Unzweifelhafte Hinweise auf Stoß- bzw. Schub-(Rudolph 1966, Abb. 47; 49) oder Zugruder (Rudolph 1966, Abb. 50) ließen sich bisher an Stammbooten nicht beobachten.

Abb. 5. Slusegård Grab 1131. 1. Grabungsbefund 2. Rekonstruierte Linien des aus dem Stamm geschnittenen Rumpfes. 3. Rekonstruierte Linien des künstlich geweiteten Rumpfes (nach Crumlin-Perdersen 1990, Abb. 14. 3).

Plankenboote sind aus dem Odergebiet bisher unbekannt, daher müssen wir uns ausschließlich dem Ostseeraum zuwenden. Als ältestes Beispiel kann das auf 350 - 300 v.u.Z. datierte Hjortspringboot gelten (Rosenberg 1937, ;Jensen 1989,533). Zur Befestigung der Spanten wurden massive Klampen aus den Spaltbohlen der Seitenwände herausgearbeitet (Rosenberg 1937, Taf. II, A). Die überlappenden Planken der Außenhaut sind durch Schnürungen miteinander verbunden (Rosenberg 1937, Fig. 55). Zwar sind geschnürte Rümpfe auch von den britischen Inseln (Wright 1985) und aus dem Mittelmeer bekannt (Brusic et. al. 1985; Bonino 1985), jedoch wurden dort nie überlappende Planken verwendet, so daß man diese Konstruktionsweise als eigene, nordische Entwicklung ansehen kann. Das auf 310 - 320 u.Z. dendrodatierte Nydamboot (Engelhardt 1865; Bonde 1990; Gøtche 1995) weist ebenfalls massive Klampen zur Befestigung der Spanten auf, jedoch sind die überlappenden Planken durch Eisenniete miteinander verbunden (Abb. 10). Für diese Klinkerbauweise existieren ebenfalls keine Vorbilder, so daß es sich abermals um eine nordische Entdeckung handeln muß (Weski 1999, 94). Während das Hjortspringboot gepaddelt wurde, konnte das Nydamboot gerudert werden, wobei als Dollen sogen. Keipen dienten (Abb. 12), die ebenfalls ohne Vorbilder sind (Weski 1999, 94). Die Technik des Zugruderns (die Ruderer blicken nach achtern) wurde während der Bronzezeit im Mittelmeer eingeführt und ist im Vergleich zum Paddeln sehr viel wirkungsvoller (Wachsmann 1995, 10). Außerdem können die Rümpfe breiter und höher werden, was sich positiv auf die Tragfähigkeit und Seetüchtigkeit auswirkt. Dieses Zugrudern ist im Gegensatz zum Stoß- bzw. Schubrudern, abgesehen von Eskimofrauen im Umiak (Pedersen 1986, 147), außerhalb Europas unbekannt. Daher ist zu vermuten, daß diese Rudertechnik aus dem Süden kam (Ellmers 1975, 89), wobei die augusteischen Feldzüge mit ihren Flottenoperationen auf der Nordsee einen möglichen Zeitpunkt für die Übernahme bilden könnten. Allerdings setzten die Germanen diese Technik selbständig um, da Keipen bei den Römern unbekannt sind.

Abb. 6. Slusegård Grab 1072 A. 1. Grabungsbefund 2. Rekonstruierte Linien des aus dem Stamm geschnittenen Rumpfes. 3. Rekonstruierte Linien des künstlich geweiteten Rumpfes (nach Crumlin-Perdersen 1990, Abb. 14. 4).

Abb. 7. Slusegård Grab 1131 und 1072 A. Verschiedene Beladungsmöglichkeiten mit zugehörigen Stabilitätskurven(nach Crumlin-Pedersen 1991, Abb. 103 - 105).

Die neue Rudertechnik muß schnell Verbreitung gefunden haben, wie der Fund aus Halsnøy, 14C datiert auf 335±65 u.Z. (Myhre 1980, 30), aus Mittelnorwegen zeigt (Schetelig 1903, Abb. 3). Interessanterweise ist dieser Rumpf nicht genietet, sondern geschnürt. Daher erscheint es gerechtfertigt, bei Überlegungen zum Wasserverkehr im größeren Umfang geschnürte Rümpfe zu postulieren, als dies bisher getan wurde, zumal diese Rumpfbauweise bei den Samen und in Nordostrußland bis in unsere Tage in Gebrauch war (Cederlund 1985; Forsell 1985; Litwin 1985; Westerdahl 1985a; 1985b). Diese Schnürtechnik ist ebenfalls für Reparaturen an Stammbooten in Slusegård nachgewiesen (Crumlin-Pedersen 1991 Abb. 28). Die aufwendige Niettechnik fand aber auch bei Kleinfahrzeugen Verwendung, wie das Setzbordboot von Björke (Abb. 13), 14C datiert auf 320±70 u.Z., aus Südschweden belegt (Humbla 1949; Mellander 1984). 

Die Frage nach dem Zeitpunkt der Einführung des Segels im Norden wird in der Literatur kontrovers diskutiert (z.B. Ellmers 1972, 35; 1975, 89; Westerdahl 1995, 41; Christensen 1996,79). Der älteste archäologische Nachweis ist das wikingerzeitliche Osebergschiff, dessen Grabkammer auf 834 u.Z. datiert ist (Bonde et al. 1993, 582). Gotländische Bildsteine aus dem 6. und 7. Jahrhundert belegen bereits für einen früheren Zeitraum die Nutzung des Segels (Crumlin-Pedersen 1990, 111 Abb. 14.18). Die Datierung und die Fundumstände des Karlbysteines sind zu vage, um ihn als einen Markstein für diese Fragestellung ansehen zu können (Crumlin-Pedersen 1990, 111 Abb. 14.19; 14.20; le Bon 1994; Christensen 1992, 81). Zwar sind aus historischen Zeiten lange Ruderstrecken überliefert, etwa Schmuggelfahrten zwischen Cornwall und der Bretagne (March 1970, 221), aber eine hypothetische Rekonstruktion der Überquerung der Nordsee zur Zeit der angelsächsischen Einfälle in England zeigte, daß dies mit Ruderschiffen wenig wahrscheinlich ist (Green 1963, 103). Dies gilt besonders für die Rückreise, bei der das Segel fast als Notwendigkeit anzusehen ist, da die Fahrzeuge mit Beute beladen und ein Teil der Krieger tot oder verwundet waren. Abgesehen davon, daß die Germanen bereits bei den Römern den Gebrauch des Segels sahen, könnte das Stammboot aus der Lecker Au, 14C datiert auf 1790±44 BP (Hirte 1989, 124 Anm. 32), aus dem Dithmarschen, einen Hinweis auf Besegelung bieten. Im fünften Spant von vorn befindet sich eine Aussparung, die eigentlich nur als Mastspur erklärt werden kann (Hirte 1989, 123 Anm. 28 Taf. 2). Zwar liegt auch ein Treidelmast im Bereich des möglichen, jedoch machen die sumpfigen Ufer der Marsch diese Fortbewegungsart wenig wahrscheinlich. Daher sollte zumindest für die jüngere römische Kaiserzeit der Gebrauch des Segels nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Abb. 8. Nydam Boot 2. Oben - Blick in das Vorschiff des genieteten Plankenbootes mit aus den Planken herausgearbeiteten Klampen und festgezurrten Spanten.; unten - Idealisierter Gesamtbefund (nach Engelhardt 1865, Taf. 1; 3,10).

Abb. 9. Nydam Boot 2. Keipen (nach Engelhardt 1865, Taf. 3, 15 - 18)2.

Abb. 10. Björke. Rekonstruktion des spätkaiserzietlichen Setzbordbootes (nach Humbla 1949, Abb. 14).

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß für die ältere römische Kaiserzeit aus Mangel an datierten Funden bisher kaum Informationen vorliegen. Für die jüngere römische Kaiserzeit ist das Bild noch längst nicht komplett, jedoch sind Stammboote, auch mit geweiteten Rümpfen und Setzbordboote nachgewiesen. Plankenfahrzeuge sowohl in genähter als auch genieteter Bauweise sind aus dem Ostseebereich bekannt, wo auch das Zugrudern belegt ist. Für den Gebrauch des Segels ist ebenfalls ein erster Hinweis vorhanden. Die Klinkertechnik, genauso wie die überlappende Schnürbauweise, ist sicherlich eine eigenständige Entwicklung, während Rudern und Segeln vermutlich aus dem Süden übernommen wurden.

Dr Timm Weski, 1998

Literaturliste

Der Text ist Veröffentlicht in "Beiträge zum Oderprojekt", Deutsches Archäologisches Institut, Römisch-Germanische Kommission, Berlin 1998. Auf Nordic Underwater Archaeology, Februar 2000, mit Genehmigung des Verfassers und des Deutschen Archäologischen Institutes.


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